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575.
Der Graf von Gleichen.
Sagittarius Gleichische Historie B. 1. c. 5.

Pauli Jovii ( Götze ) chronicon schwarzburg.
Tenzel monatl. Unterr. 1696. S. 599 - 620.
Melissantes Bergschlösser S. 20 - 31.


Graf Ludwig von Gleichen zog im Jahr 1227 mit gegen die Ungläubigen, wurde aber gefangen und in die Knechtschaft geführt. Da er seinen Stand verbarg, mußte er, gleich den übrigen Sclaven, die schwersten Arbeiten thun: bis er endlich der schönen Tochter des Sultans in die Augen fiel, wegen seiner besondern Geschicklichkeit und Anmuth zu allen Dingen, so daß ihr Herz von Liebe entzündet wurde. Durch seinen mitgefangenen Diener erfuhr sie seinen wahren Stand; und nachdem sie mehrere Jahre vertraulich mit ihm gelebt, verhieß sie, ihn frei zu machen und mit großen Schätzen zu begaben: wenn er sie zur Ehe nehmen wolle. Graf Ludwig hatte eine Gemahlin mit zwei Kindern zu Haus gelassen; doch siegte die Liebe zur Freiheit, und er sagte ihr alles zu, indem er des Pabstes und seiner ersten Gemahlin Einwilligung zu erwirken hoffte. Glücklich entflohen sie darauf, langten in der Christenheit an, und der Pabst, indem sich die schöne Heidin taufen ließ, willfahrte der gewünschten Vermählung. Beide reisten nach Thüringen, wo sie im Jahr 1249 ankamen. Der Ort bei Gleichen, wo die beiden Gemahlinnen zuerst zusammentrafen, wurde das Freudenthal benannt, und

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 372. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_392.jpg&oldid=- (Version vom 24.12.2016)