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und zog ihn zum fürstlichen Tische. Nach dem Essen ging er aufs Richterhaus (Ritterhaus), wo die Sänger saßen, und wollte Heinrich von Ofterdingen ledig machen. Da sangen Clingsor und Wolfram mit Liedern gegen einander, aber Wolfram that so viel Sinn und Behendigkeit kund, daß ihn der Meister nicht überwinden mochte. Clingsor rief einen seiner Geiste, der kam in eines Jünglinges Gestalt: ich bin müde worden vom Reden – sprach Clingsor– da bringe ich dir meinen Knecht, der mag eine Weile mit dir streiten, Wolfram. Da hub der Geist zu singen an, von dem Anbeginne der Welt bis auf die Zeit der Gnaden: aber Wolfram wandte sich zu der göttlichen Geburt des ewigen Wortes; und wie er kam, von der heiligen Wandlung des Brotes und Weines zu reden, mußte der Teufel schweigen und von dannen weichen. Clingsor hatte alles mit angehört, wie Wolfram mit gelehrten Worten das göttliche Geheimniß besungen hatte, und glaubte, daß Wolfram wohl auch ein Gelehrter seyn möge. Hierauf gingen sie aus einander. Wolfram hatte seine Herberg in Titzel Gottschalks Hause, dem Brotmarkt gegenüber mitten in der Stadt. Nachts wie er schlief, sandte ihm Clingsor von neuem seinen Teufel, daß er ihn prüfen sollte, ob er ein Gelehrter oder ein Laie wäre; Wolfram aber war blos gelehrt in Gottes Wort, einfältig und andrer Künste unerfahren. Da sang ihm der Teufel von den Sternen des Himmels, und legte ihm Fragen vor, die der Meister nicht aufzulösen vermochte; und als

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 345. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_365.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)