schwerem Kummer nicht aß und nicht trank, war er siech
geworden; da bat er, man moge ihm sein Seelgeräthe[1]
setzen, eh’ dann der Kaiser zu Lande käme und
ihn tödten ließe. Und ließ beschreiben einen seiner
heimlichen Diener, mit dem legte er an: wann er
das Seelgeräthe von dannen führete, daß er den anderen
Tag um Mittag mit zweien Kleppern unter das
Haus an die Saale käme, und seiner wartete. Es
saßen aber bei ihm auf der Kemnate sechs ehrbare
Männer, die sein hüteten. Und als die angelegte
Zeit herzu kam, klagte er, daß ihn heftig fröre; that
derwegen viel Kleider an, und ging sänftiglich im Gemach
auf und nieder. Die Männer spielten vor langer
Weile im Brett, hatten auf sein Herumgehen
nicht sonderliche Achtung; unterdessen gewahrte er unten
seines Dieners mit den zwei Pferden, da lief er
zum Fenster, und sprang durch den hohen Stein in
die Saale hinab.
Der Wind führte ihn, daß er nicht hart ins Wasser fiel, da schwemmte der Diener mit dem ledigen Hengst zu ihm. Der Landgraf schwang sich zu Pferd, warf der nassen Kleider ein Theil von sich, und rennte auf seinem weißen Hengst, den er den Schwan hieß, bis gen Sangerhausen. Von diesem Sprunge heißt er Ludwig der Springer; dankte Gott und baute eine schöne Kirche, wie er gelobet hatte. Gott gab ihm und seiner Gemahlin Gnad in ihr Herz, daß sie Reu und Leid ob ihrer Sünde hatten.
- ↑ letzter Willen, Testament.
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_351.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)