er sein ganzes Jagdgefolge aus Augen und Ohren,
stand mit einem weißen Pferde mitten auf dem Berge,
und sah sich nach seinen Winden um, konnte aber auch
nicht ein Mal einen lautenden (bellenden) Hund zu
hören bekommen. Hierauf sprach er bei ihm selber,
denn es eine große Hitze war: ach Gott, wer nur
einen kühlen Trunk Wassers hätte! Sobald als der
Graf das Wort gesprochen, that sich der Osenberg
auf, und kommt aus der Kluft eine schöne Jungfrau
wohl gezieret, mit schönen Kleidern angethan, auch
schönen über die Achsel getheilten Haaren und einem
Kränzlein darauf; und hatte ein köstlich silbern Geschirr,
so vergüldt war, in Gestalt eines Jägerhorns,
wohl und gar künstlich gemacht, in der Hand, das gefüllt
war. Dieses Horn reichte sie dem Grafen und
bat, daß er daraus trinken wolle, sich zu erquicken.
Als nun solches vergüldtes, silbern Horn der Graf von der Jungfrau auf und angenommen, den Deckel davon gethan und hinein gesehen: da hat ihm der Trank, oder was darinnen gewesen, welches er geschüttelt, nicht gefallen und deßhalben solch Trinken der Jungfrau geweigert. Worauf aber die Jungfrau gesprochen „mein lieber Herr, trinket nur auf meinen Glauben! denn es wird euch keinen Schaden geben, sondern zum Besten gereichen;“ mit fernerer Anzeige „wo er, der Graf, draus trinken wolle, sollt’s ihm, Graf Otten und den Seinen, auch folgends dem ganzen Hause Oldenburg wohlgehn, und die Landschaft zunehmen und ein Gedeihen haben.“ Da aber der
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 318. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_338.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)