Die Pfalzgräfin habe zu einer Zeit geboren, daß niemand
wissen könne, ob nicht der Koch oder ein andrer
des Kindes Vater sey; „sag nur dem Pfalzgrafen,
daß sie mit dem Koch gebuhlt habe, so wird er sie
tödten lassen, und du ruhig seyn." Golo sagte „der
Rathschlag ist gut" ging daher eilends seinem Herrn
entgegen, und erzählte ihm die ganze Lüge. Siegfried
erschrak, und seufzte aus tiefem Leid. Da sprach Golo:
Herr, es ziemt dir nicht länger, diese zum Weibe
zu haben. Der Pfalzgraf sagte: was soll ich thun?
Ich will – versetzte der Treulose – sie mit ihrem Kind
an den See führen und im Wasser ersäufen. Als
nun Siegfried eingewilligt hatte, ergriff Golo Genofeven
und das Kind, und übergab sie den Knechten,
daß sie sie tödten sollten. Die Knechte führten sie
in den Wald, da hub einer unter ihnen an: was haben
diese Unschuldigen gethan? Und es entstand ein
Wortwechsel, keiner aber wußte Böses von der Pfalzgräfin
zu sagen, und keinen Grund, warum sie sie
tödten sollten; es ist besser – sprachen sie – daß wir
sie hier von den wilden Thieren zerreissen lassen, als
unsre Hände mit ihrem Blut zu beflecken. Also ließen
sie Genofeven allein in dem wilden Wald, und gingen
fort. Da sie aber ein Wahrzeichen haben mußten,
das sie Golo mitbrächten: so rieth einer, dem mitlaufenden
Hunde die Zunge auszuschneiden. Und als sie
vor Golo kamen, sagte er: wo habt ihr sie gelassen?
„Sie sind ermordet“ antworteten sie, und wiesen ihm
Genofevens Zunge.
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_302.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)