Gau auf seiner Burg Simmern, still und eingezogen
zu wohnen; auch übertrug er einem seiner
Dienstmänner, Namens Golo, auf den er zumal vertraute:
daß er seine Gemahlin in besonderer Aufsicht
hielte. Die letzte Nacht vor seiner Abreise hatte aber
Genofeva einen Sohn von ihrem Gemahl empfangen.
Als nun Siegfried abwesend war, dauerte es nicht
lange, und Golo entbrann von sündlicher Liebe zu der
schönen Genofeva, die er endlich nicht mehr zurück
hielt, sondern der Pfalzgräfin erklärte. Sie aber
wies ihn mit Abscheu zurück. Darauf schmiedete Golo
falsche Briefe, als wenn Siegfried mit allen seinen
Leuten im Meer ertrunken wäre, und las sie der Gräfin
vor; jetzt gehöre ihm das ganze Reich zu, und sie
dürfe ihn ohne Sünde lieben. Als er sie aber küssen
wollte, schlug sie ihm hart mit der Faust ins Gesicht,
und er merkte wohl, daß er nichts ausrichten konnte;
da verwandelte er seinen Sinn, nahm der edlen Frau
alle ihre Diener und Mägde weg, daß sie in ihrer
Schwangerschaft die größte Noth litt. Und als ihre
Zeit heran rückte, gebar Genofeva einen schönen Sohn,
und niemand, außer einer alten Waschfrau, stand ihr
bei oder tröstete sie; endlich aber hörte sie, daß der
Pfalzgraf lebe und bald zurück kehre; und sie fragte
den Boten, wo Siegfried jetzo sey? „Zu Straßburg“
antwortete der Bote, und ging darauf zu Golo, dem
er dieselbe Nachricht brachte. Golo erschrak heftig
und hielt sich für verloren. Da redete eine alte Hexe
mit ihm, was er sich Sorgen um diese Sache mache?
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_301.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)