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bewies; daß der Abgesandte, nachdem er alles Geld verzehrt hatte, wieder unausgerichteter Sache in die Türkei zurück reisen mußte. Bald darauf nahm Florentina sich ein Pilgerkleid und eine Harfe, welche sie wohl zu spielen verstand, und reiste dem fremden Heiden nach, holte ihn auch noch zu Venedig ein und fuhr mit ihm in die Heidenschaft, ohne daß er sie in der veränderten Tracht erkannt hätte. Als sie nun an des Heidenkönigs Hofe anlangten, wußte der Pilgrim diesen so mit seinem Gesang und Spiel einzunehmen, daß ihm große Geschenke dargeboten wurden. Der Pilgrim schlug diese alle aus, und bat blos um einen von den gefangenen Christen, die im Pfluge gingen. Die Bitte wurde bewilligt, und Florentina ging unerkannt zu den Gefangenen, bis sie zuletzt zu dem Pflug kam, in welchen ihr lieber Mann gespannt war. Darauf forderte und erhielt sie diesen Gefangenen, und beide reisten zusammen über die See glücklich nach Deutschland heim. Zwei Tagreisen vor Metz sagte der Pilgrim zu Alexander: Bruder, jetzt schneiden sich unsre Wege; gib mir zum Angedenken ein Stücklein aus deinem Hemde, von dessen Wunder ich so viel habe reden hören, damit ich's auch andern erzählen und beglaubigen kann. Diesem willfahrte der Ritter, schnitt ein Stück aus dem Hemde, und gab es dem Pilgrim; sodann trennten sich beide. Florentina kam aber auf einem kürzeren Wege einen ganzen Tag früher nach Metz, legte ihre gewöhnlichen Frauenkleider an, und erwartete ihres Gemahles Ankunft.

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_299.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)