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Hausfrau Florentina. Dieser Ritter gelobte eine Wallfahrt nach dem heiligen Grabe, und als ihn seine betrübte Gemahlin nicht von dieser Reise abwenden konnte, machte sie ihm ein weißes Hemde mit einem rothen Kreuz, das sie ihm zu tragen empfahl. Der Ritter zog hierauf in jene Länder, wurde von den Ungläubigen gefangen, und mit seinen Unglücksgefährten in den Pflug gespannt; unter harten Geißelhieben mußten sie das Feld ackern, daß das Blut von ihren Leibern lief. Wunderbarer Weise blieb nun jenes Hemd, welches Alexander von seiner Frauen empfangen hatte, und beständig trug, rein und unbefleckt, ohne daß ihm Regen, Schweiß und Blut etwas schadeten; auch zerriß es nicht. Dem Sultan selbst fiel diese Seltsamkeit auf, und er befragte den Sclaven genau über seinen Namen und Herkunft, und wer ihm das Hemd gegeben habe? Der Ritter unterrichtete ihn von allem „und das Hemd habe ich von meiner tugendsamen Frau erhalten; daß es so weiß bleibt, zeigt mir ihre fortdauernde Treue und Keuschheit an.“ Der Heide, durch diese Nachricht neugierig gemacht, beschloß, einen seiner Leute heimlich nach Metz zu senden; der sollte kein Geld und Gut sparen, um des Ritters Frau zu seinem Willen zu verführen: so würde sich nachher ausweisen, ob das Hemd die Farbe verändere. Der Fremde kam nach Lothringen, kundschaftete die Frau aus, und hinterbrachte ihr, wie elendiglich es ihrem Herrn in der Heidenschaft ginge; worüber sie höchst betrübt wurde, aber sich so tugendhaft

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_298.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)