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aufbieten und die Burg umringen. Als nun der Bischof Morgens ausschaute, und sich verwunderte, sprach sein Bruder: ich hab eine lebendige Mauer erbaut, und die Treue tapferer Männer ist die festeste Burg.




506.
Rudolf von Strättlingen.
Chronik von Einigen und Strättlingen.

Wyß Schweizersagen S. 187 – 194. Vergl. 329.


König Rudolf von Burgund herrschte mächtig zu Strättlingen auf der hohen Burg; er war gerecht und mild, baute Kirchen weit und breit im Lande; aber zuletzt übernahm ihn der Stolz, daß er meinte, niemand und selbst der Kaiser nicht, sey ihm an Macht und Reichthum zu vergleichen. Da ließ ihn Gott der Herr sterben; alsbald nahte sich der Teufel und wollte seine Seele empfangen; drei Mal hatte er schon die Seele ergriffen, aber Sanct Michael wehrte ihm. Und der Teufel verlangte von Gott, daß des Königs Thaten gewogen würden; und wessen Schale dann schwerer sey, dem solle der Zuspruch geschehen. Michael nahm die Wage, und warf in die eine Schale, was Rudolf Gutes, in die andere, was er Böses gethan hatte; und wie die Schalen schwankten, und sachte die gute niederzog, wurde dem Teufel angst, daß seine auffahre; und schnell klammerte er sich von unten dran fest, daß sie schwer hinunter sank. Da rief Michael: wehe, der erste Zug geht zum Gericht!

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_240.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)