sammt Weib und Kindern in großem Unglück standen,
und noch zukünftiger Zeit mehrerm Unfall möchten
unterworfen seyn, gingen sie sämmtlich zu Herrn Reinher
Schenk und sagten ihm: „wie sie dies Mal nur
durch einen listigen Fund, weil sie keine Hülfe von
Erzherzog Otto zu gewarten hätten, zu erretten wären.
Nun hätten sie eine gute und geschwinde Kriegslist
erdacht, damit den grimmen Feind ab ihrem Hals
zu bringen. Nämlich, dieweil sie gesehen, daß alle
Essens-Speisen und des Leibes Nothdurft nun bereits
verzehrt, und nichts mehr in ihrer Gewalt wäre,
als ein dürrer Stier und zwei Vierling Roggen:
so wäre ihr getreuer Rath, Gutdünken und Meinung,
man sollte hierauf den Stier abschlachten, in dessen
abgezogene Haut den Roggen einschütten, und sie also,
wohl vermacht, den Berg herab werfen. Wenn die
Feinde dann solches sähen, würde es ihnen Ursache
geben zu denken: wir wären mit allerlei Nothdurft
und Lebensmittel noch reichlich versehen, und könnten
die Belagerung noch eine gute Zeit ausharren.
Derowegen sie unzweifelich würden aufbrechen und
mit dem ganzen Kriegsheer abziehen.“ Diesem Rath
kam Herr Reinher Schenk alsbald nach, ließ den
Stier abnehmen, den Roggen darein thun, und solche
damit über den Berg abstürzen, dem jedermann mit
großer Verwunderung zugesehen. Als aber solches
Frau Maultasch erfahren, thät sie hierauf einen lauten
hellen Schrei und sagte: „ha! das sind die
Klaus-Rappen, so eine gute Zeit ihre Nahrung in
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_238.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)