einer wie der andre, arm oder reich, und das ist unsre
Sitte so.“ Der König von Rom sprach: gib mir jenen
alten Dienstmann, ich will ihn an meinem Hofe
halten, wenn du hinnen scheidest; damit sollst du alle
meine Gnade gewinnen. – So ungern es auch der
Herzog thäte, konnte er doch dieser Bitte nicht ausweichen,
sondern nahm den treuen Rathgeben bei der
Hand, und befahl ihn in die Gewalt des Königs.
Darauf nahm er Urlaub und schied heim in sein Vaterland;
voraus aber sandte er Boten, und befahl
allen seinen Unterthanen, die Lehnrecht oder Rittersnamen
haben wollten: daß sie sich das Haar vornen
aus-, und das Gewand abschnitten, und wer es
nicht thäte, daß er die rechte Hand verloren hätte.
Als es nun auskam, daß sich die Baiern so beschoren,
da beliebte der Gebrauch hernach allen in deutschen
Landen. –
Es stund aber nicht lange an, so war die Freundschaft zwischen dem römischen König und dem Herzog wieder zergangen, und Adelgern ward von neuem entboten: nach Rom zu ziehen, bei Leib und Leben, der König wolle mit ihm Rede haben. Adelger, ungemuth über dieses Ansinnen, sandte heimlich einen Boten nach Wälschland zu seinem alten Dienstmann, den sollte er bei seinen Treuen mahnen: ihm des Königs Willen, weßhalb er ihn nach Hof rief, zu offenbaren, und zu rathen, ob er kommen oder bleiben sollte? Der alte Mann sprach aber zu Adelgers Boten: es ist nicht recht, daß du zu mir fährst; hiebevor, da ich
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_215.jpg&oldid=- (Version vom 5.10.2021)