Rath – sagte Adelger – hat mich hierher gebracht;
magst du nun mit guten Sinnen meine Sache herstellen,
so will ich dich desto werther halten; kann ich aber meine
Ehre nicht wieder gewinnen, so komm ich nimmermehr
heim nach Baierland.“ Der Alte sprach: Herr
nun heiß mir thun, wie dir geschehen ist, und besende
alle deine Mann, und leih und gib ihnen, daß sie sich
allesammt bescheeren lassen; damit rette ich dir alle
deine Ehre. Da forderte der Herzog jeden Mann
sonders vor sich, und sagte: wer mir in dieser Noth
beisteht, dem will ich leihen und geben; wer mich lieb
hat, der lasse sich scheeren, wie mir geschehen ist.
Ja – sprachen alle seine Leute – sie wären ihm treu
bis in den Tod, und wollten alles erfüllen. Zur Stunde
beschoren sich alle, die mit ihm ausgekommen waren,
Haar und Gewand, daß es nur noch bis an die Knie
reichte; die Helden waren lang gewachsen und herrlich
geschaffen, tugendreich und lobesam, daß es jeden
Wunder nahm, der sie ansah, so vermessenlich war
ihre Gebärde.
Früh den andern Morgen ging Adelger mit allen seinen Mannen zu des Königs Hof. Als sie der König ansah, sagte er in halbem Zorn: rede, lieber Mann, wer hat dir diesen Rath gegeben? „Ich führte mit mir einen treuen Dienstmann – sprach Herzog Adelger – der mir schon viele Treue erwiesen, der ist es gewesen; auch ist unsrer Baiern Gewohnheit daheim: „was einem zu Leide geschieht, das müssen wir allesammt dulden“ so tragen wir uns nun
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_214.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)