Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 214.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


Rath – sagte Adelger – hat mich hierher gebracht; magst du nun mit guten Sinnen meine Sache herstellen, so will ich dich desto werther halten; kann ich aber meine Ehre nicht wieder gewinnen, so komm ich nimmermehr heim nach Baierland.“ Der Alte sprach: Herr nun heiß mir thun, wie dir geschehen ist, und besende alle deine Mann, und leih und gib ihnen, daß sie sich allesammt bescheeren lassen; damit rette ich dir alle deine Ehre. Da forderte der Herzog jeden Mann sonders vor sich, und sagte: wer mir in dieser Noth beisteht, dem will ich leihen und geben; wer mich lieb hat, der lasse sich scheeren, wie mir geschehen ist. Ja – sprachen alle seine Leute – sie wären ihm treu bis in den Tod, und wollten alles erfüllen. Zur Stunde beschoren sich alle, die mit ihm ausgekommen waren, Haar und Gewand, daß es nur noch bis an die Knie reichte; die Helden waren lang gewachsen und herrlich geschaffen, tugendreich und lobesam, daß es jeden Wunder nahm, der sie ansah, so vermessenlich war ihre Gebärde.

Früh den andern Morgen ging Adelger mit allen seinen Mannen zu des Königs Hof. Als sie der König ansah, sagte er in halbem Zorn: rede, lieber Mann, wer hat dir diesen Rath gegeben? „Ich führte mit mir einen treuen Dienstmann – sprach Herzog Adelger – der mir schon viele Treue erwiesen, der ist es gewesen; auch ist unsrer Baiern Gewohnheit daheim: „was einem zu Leide geschieht, das müssen wir allesammt dulden“ so tragen wir uns nun

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_214.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)