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Sieben Tage und sieben Nächte belagerte das Heer Rom und den Lateran, an denen niemand wagte, mit ihnen zu streiten. Den achten Tag schlossen die Römer das Thor auf, und ließen den König ein. Carl saß zu Gericht, die Briefe wurden gelesen, die Schuldigen genannt. Als man sie vorforderte, so leugneten sie. Da verlangte der Kaiser Kampf, daß die Wahrheit davon erscheine. Die Römer sprachen: das wäre ihr Recht nicht, und kein König hätte sie noch dazu gezwungen; ihre Finger wollten sie recken und schwören. Da sagte er: „von euerm Rechte will ich keinen treiben, aber schwören sollt ihr mir auf Pancratius, dem heiligen Kinde.“

Sie zogen in Pancratiusstift, und sollten die Finger auf das Heiligthum legen. Der erste, welcher schwören wollte, sank zu Boden. Da verzweifelten die andern, wichen zurück, und begannen zu fliehen. Zornig ritt ihnen der König nach, drei Tage ließ er sie erschlagen, die Todten aus S. Peters Dome tragen, den Estrich reinigen, und den Pabst wieder einführen. Drauf fiel Carl vor dem Altar nieder, und bat um ein Wunder, damit das böse Volk der Römer zum Glauben gebracht würde. Auch forderte er Sanct Peter, den Thürhüter des Himmels, daß er seinen Pabst schauen sollte: „gesund ließ ich ihn in deinem Hause, blind hab ich ihn gefunden; und machst du ihn nicht wieder sehend heut am Tage, so zerstöre ich, deinen Dom, zerbreche deine Stiftung, und fahre heim nach Riflanden.“

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_157.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)