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und hieß die Leute vor sich weichen. „Ihr guten Pilgrime – sprach er – wollt ihr hier bei mir bleiben, ich herberge euch gerne; klaget mir euer Leid, so will ich’s büßen, wo ich kann.“

Da wollte der arme Pabst zu dem König sich kehren, sein Haupt stand zwerch, sein Gesicht scheel; er sprach: „daß mir Gott deiner Hülfe gönne! es ist erst kurze Zeit, daß ich dir zu Rom die Messe sang; damals sah ich noch mit meinen Augen.“ An diesen Worten erkannte König Carl seinen Bruder, erschrak so heftig, daß er zu Boden fallen wollte, und raufte die Haare aus. Die Leute sprangen herzu und hielten ihren Herrn. „Zu deinen Gnaden – klagte Leo – bin ich hierher gekommen, um deinetwillen hab ich die Augen verloren; weine nicht mehr, lieber Bruder, sondern loben wir Gott seiner großen Barmherzigkeit!“ Da war großer Jammer unter dem Volke, und niemand mochte das Weinen verhalten.

Als nun der König alles von dem Papst erfahren hatte, sagte er: „deine Augen will ich rächen oder nimmermehr das Schwert länger führen.“ Er sandte Boten zu Pipin seinem Vater und den Fürsten in Kerlingen. Alle waren ihm willig, die Boten eilten von Lande zu Lande, von Herren zu Mannen; Bauleute und Kaufmänner, die niemand entbieten konnte, ließen freiwillig Hab’ und Gut, und folgten dem Heere. Sie zogen sich zusammen wie die Wolken. Der Zug ging über die Alpen durch Triental

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_155.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)