daß er nicht mehr am Leben sey.“ Da stand Chlotar
am Ufer, sprach keinen Laut, sondern hob schnell seinen
Helm vom Haupte, daß das schöne, mit weißen
Locken gemischte Haupthaar herunterwallte. An diesem
königlichen Schmucke erkannten ihn gleich die
Feinde; Bertoald rief: „bist du also da, du stummes
Thier!“ Glühend von Zorn setzte der König den
Helm aufs Haupt, und spornte sein Roß durch den
Fluß, daß er sich an den Feinden räche; alle Franken
sprengten ihm nach. Chlotars Waffen waren schwer,
und beim Durchschwimmen hatte ihm Wasser den
Brustharnisch und die Schuhe gefüllt; dennoch folgte
er dem fliehenden Sachsen-Herzog unermüdlich nach.
Bertoald rief zurück: „ein so berühmter König und
Herr solle doch seinen Knecht nicht ungerecht verfolgen.“
Chlotar wußte aber wohl, daß er aus Hinterlist
so redete, kümmerte sich nicht um die Worte, sondern
holte ihn mit seinem schnellen Rosse ein, und
brachte ihn um. Darauf schlug er ihm das Haupt
ab, und trug es den nachkommenden Franken entgegen.
Da verwandelte sich ihre Trauer in Freude; sie
überzogen ganz Sachsenland, und der König Chlotar
hieß alle Einwohner männlichen Geschlechts, die länger
waren als das Schlachtschwert, das er damals
gerade trug, hinrichten: auf daß die jüngeren und
kleineren durch das lebendige Andenken hieran, abgeschreckt
würden. Und so verfuhr Chlotar.
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_114.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)