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fehlte, sagte er zu sich selbst: „Der, den ich suche, ist von niederer Herkunft, aber gewiß von klugem Sinn,“ und sogleich erkennend, daß er ihn ohne großes öffentliches Ärgerniß nicht mehr finden werde, sprach er laut zu ihnen allen: „wer es gethan hat, schweige, und thue es nimmermehr!“ Bei diesen Worten des Königs sahen sich alle Diener einander verwundert an, und wußten nicht, was sie bedeuteten; außer dem einen, der das Stück begangen hatte, welcher klug genug war, sein Lebelang nichts davon laut werden zu lassen, und sich an dem Glück zu genügen, das ihm widerfahren war.



401.
Theodelind und das Meerwunder.

Altdeutsches Gedicht im Dresdner Heldenbuch.
Hans Sachs, Buch IV. Kemptn. Ausg. Bl. 130–132.

Eines Tages wandelte Theodelind, Agilulfs Gemahlin, in der grünen Au, nahe am Meerufer, sich zu erfrischen und Blumen zu brechen. Da stieg plötzlich ein scheußliches Meerwunder ans Land, rauchbehaart, mit glühenden Augen, faßte die zarte Königin und überwältigte sie. Aber ein Edelmann, der in der Nähe Hirsch und Hind jagte, hörte ihr klägliches Wehgeschrei, ritt eilends hinzu, und sobald ihn das Meerwunder kommen sah, ließ es die Königin und sprang in das Meer zurück. Der Edelmann geleitete Theodelinden heim; seit der Zeit war ihr Herz traurig und betrübt, doch sagte sie niemand, was ihr geschehen

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_067.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)