schlagen, als den andern: so trat der König der Reihe
nach zu den Schlafenden, legte ihnen die Hand auf
die Brust, und fühlte, wie ihre Herzen schlugen. Alle
aber lagen in tiefer Ruhe, und die Schlüge ihres
Bluts waren still und langsam, bis er sich zuletzt dem
Lager dessen näherte, der es wirklich verübt hatte.
Dieser war noch nicht entschlafen, aber als er den
König in den Saal treten gesehn, in große Furcht
gerathen, und glaubte gewiß, daß er umgebracht werden
sollte; doch tröstete ihn, daß er den König ohne
Waffen erblickte, schloß daher, wie jener näher
trat, fest die Augen und stellte sich schlafend. Als
ihm nun der König die Hand auch auf die Brust legte,
und sein Herz heftig pochen fühlte, merkte er
wohl, daß dieser der Thäter war, und nahm, weil er
bis auf den Tag verschieben wollte, was er mit ihm
zu thun Willens hatte, eine Scheere, und schnitt ihm
von der Seite über dem Ohr eine Locke von den langen
Haaren ab. Darauf ging der König weg, jener
aber, der listig und sinnreich war, stand unverzüglich
auf, schnitt jedem seiner Schlafgesellen auf derselben
Seite eine Locke mit der Scheere, und legte sich hernach
ganz ruhig nieder in sein Bett und schlief. Morgens
in aller Frühe, bevor die Thore der Burg eröffnet
wurden, befahl der König sämmtlichem Gesinde,
in seiner Gegenwart zu erscheinen, und begann, sie
anzusehen, um denjenigen, den er geschoren hatte,
darunter auszufinden. Da er aber erstaunt sahe, daß
den meisten unter ihnen auf derselben Stelle die Locke
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_066.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)