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392.
Der Knabe im Fischteich.
Paulus Diac. Lib. I. c. 15.

Zu den Zeiten Agelmunds, des longobardischen Königs, trug es sich zu, daß ein Weib dieses Volkes sieben Knäblein auf einmal gebar, und um der Schande zu entgehn, grausamer als wilde Thiere, sie sämmtlich in einen Fischteich warf. Bei diesem Teich ritt der König gerade vorüber, sah die elenden Kinder liegen, hielt sein Pferd an, und wandte sie mit dem Spieß, den er in der Hand trug, von einer auf die andere Seite um. Da griff eins der Kindlein mit seinen Händchen den königlichen Spieß fest. Der König sah darin ein Zeichen, daß aus diesem Kind ein besonderer Mann werden würde, befahl es aus dem Fischbehälter zu ziehen, und übergab es einer Amme zum Säugen. Und weil er ihn aus dem Fischteich, der in ihrer Sprache Lama[1] heißt, gezogen hatte, legte er dem Kind den Namen Lamißio bei. Es erwuchs, wurde ein streitbarer Held, und nach Ägelmunds Tode

König der Longobarden.


  1. Aus keiner germanischen Sprache jetzt zu erläutern, aber im latein. ist lama Pfütze, Sumpf, Schlund, griech. λαμος Vergl. Schlamm
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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_050.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)