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Körner, die ihr so verspielt, eins nach dem andern auflesen möchtet, euren Hunger damit zu stillenl“ „Wie, rief sie mit höllischem Gelächter, ich soll dürftig werden können? ich soll in Armuth und Brotmangel fallen? So wahr das geschieht, so wahr sollen auch meine Augen diesen Ring wieder erblicken, den ich hier in die Tiefe der See werfe.“ Bei diesem Wort zog sie einen kostbaren Ring vom Finger und warf ihn in die Wellen. Die ganze, Ladung des Schiffes und aller Weizen, der darauf war, wurde also in die See ausgeschüttet.

Was geschieht? Einige Tage darauf ging die Magd dieser Frauen zu Markt, kaufte einen Schelfisch und wollte ihn in der Küche zurichten; als sie ihn aufschnitt, fand sie darin einen kostbaren Ring und zeigte ihn ihrer Frauen. Wie ihn die Meisterin sah, erkannte sie ihn sogleich für ihren Ring, den sie neulich ins Meer geworfen hatte, erbleichte und fühlte die Vorboten der Strafe in ihrem Gewissen. Wie groß war aber ihr Schrecken, als in demselben Augenblick die Botschaft eintraf, ihre ganze aus Morgenland kommende Flotte wäre gestrandet! Wenige Tags darauf kam die neue Zeitung von untergegangenen Schiffen, worauf sie noch reiche Ladungen hatte. Ein anderes Schiff raubten ihr die Mohren und Türken; der Fall einiger Kaufhäuser, worin sie verwickelt war, vollendete bald ihr Unglück und kaum war ein Jahr verflossen, so erfüllte sich die schreckliche Drohung des Schiffmeisters in allen Stücken. Arm und von keinem betrauert,

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_360.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)