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203.
Der Thurm zu Schartfeld.
Letzner Dasselsche Chronik. Buch VI. c. I.


Von dem Thurm auf Schartfeld berichten viel alter Leute, daß er keine Dachung leide, der Teufel darin hausen und Nachts viel Gerumpels droben seyn solle. Vorzeiten trug Kaiser Heinrich der Vierte unziemliche Liebe zu eines Herrn auf Schartfeld Ehweib, konnte lange seinen Willen nicht vollführen. Da kam er ins Kloster Pölde in der Grafschaft Lutterberg und ein Münch machte ihm einen Anschlag. Er ließ den Herrn von Schartfeld zu sich fordern ins Kloster, und trug ihm eine weite Reise mit einer Werbung auf. Der Ritter war dem Kaiser unterthan und gehorsam. Tags darauf zog der Kaiser mit dem Mönch in weltlichen Kleidern auf die Jagd, kam insgeheim vor das Haus Schartfeld und wurde von dem Mönch bis vor der Edelfrau Kemenate geleitet. Da überfiel sie Heinrich und nöthigte sie zu seinem Willen. Da soll der Teufel die Dachung vom Thurm abgeworfen und in der Luft hinfahrend über den Mönch geschrien haben, daß er an dieser Unthat schuldiger sty, als der Kaiser. Der Mönch war seit der Zeit im Kloster stets traurig und unfroh.


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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_315.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)