Der Lügenstein.
Otmar’s Volkssagen |
Auf dem Domplatz zu Halberstadt liegt ein runder
Fels von ziemlichem Umfang, den das Volk nennet
den Lügenstein. Der Vater der Lügen hatte, als
der tiefe Grund zu der Domkirche gelegt wurde, große
Felsen hinzugetragen, weil er hoffte, hier ein Haus
für sein Reich entstehen zu sehen. Aber als das Gebäude
aufstieg und er merkte, daß es eine christliche Kirche
werden würde, da beschloß er, es wieder zu zerstören.
Mit einem ungeheuern Felsstein schwebte er herab, Gerüst
und Mauer zu zerschmettern. Allein man besänftigte
ihn schnell durch das Versprechen, ein Weinhaus
dicht neben die Kirche zu bauen. Da wendete er den
Stein, so daß er neben dem Dom auf dem geebneten
Platz niederfiel. Noch sieht man daran die Höhle, die
der glühende Daumen seiner Hand beim Tragen eindrückte.
Die Felsenbrücke.
Mündlich, aus Oberwallis. |
Ein Hirt wollte Abends spat seine Geliebte besuchen
und der Weg führte ihn über die Visper, da
wo sie in einer tiefen Felsenschlucht rauscht, worüber
nur eine schmale Bretterbrücke hängt. Da sah er, der
Chilthbube, was ihm sonst niemals widerfahren war,
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_312.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)