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und befahl ihm ein Pferd, das ihm sehr lieb war: er sollt dessen fleißig warten. Als der Junker weg war, führte der Knecht das Pferd auf einen hohen Thurm, höher denn zehn Stufen; wie aber der Herr wieder kam, vernahm und kannte es ihn im Hineinreiten, steckte den Kopf oben im Thurm zum Fenster hinaus und fing an zu schreien, daß er sich gar sehr verwunderte und es mit Stricken und Seilen mußte vom Thurm herablassen.

Auf eine andere Zeit lag der Edelmann um eines Todschlags willen gefangen und rief den Knecht an, daß er ihm hülfe. Sprach der Knecht: „obschon es schwer ist, will ichs doch thun, doch müßt ihr nicht viel mit den Händen vor mir flattern und Schirmstreich brauchen.“ Damit meinte er ein Kreuz vor sich machen und sich segnen. Der Edelmann sprach, er sollte nur fortfahren, er wollte sich damit recht halten. Was geschah? Er nahm ihn mit Ketten und Fesseln, führte ihn in der Luft daher; wie sich aber der Edelmann in der Höhe fürchtet und schwindelt und rief: „hilf Gott! hilf! wo bin ich!“ ließ er ihn herunter in einen Pfuhl fallen, kam heim und zeigte es der Frau an, daß sie ihn holen und heilen ließ, wie sie that.


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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 253. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_289.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)