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153.
Der Zug der Zwerge über den Berg.
Otmar’s Volkssagen.

Auch auf der Nordseite des Harzes wohnten einst viele tausend Zwerge oder Kröpel, in den Felsklüften und den noch vorhandenen Zwerglöchern. Bei Seehausen, einem magdeburgischen Städtchen, zeigt man ebenfalls solche Kröppellöcher. Aber nur selten erschienen sie den Landesbewohnern in sichtbarer Gestalt, gewöhnlich wandelten sie, durch ihre Nebelkappen geschützt, ungesehen und ganz unbemerkt unter ihnen umher. Manche dieser Zwerge waren gutartig und den Landesbewohnern unter gewissen Umständen sehr behülflich; bei Hochzeiten und Kindtaufen borgten sie mancherlei Tischgeräthe aus den Höhlen der Zwerge. Nur durfte sie niemand zum Zorn reizen, sonst wurden sie tückisch und bösartig und thaten dem, der sie beleidigte, allen möglichen Schaden an. In dem Thal zwischen Blankenburg und Quedlinburg bemerkte einmal ein Becker, daß ihm immer einige der gebackenen Brote fehlten und doch war der Dieb nicht zu entdecken. Dieser beständig fortdauernde geheime Diebstahl machte, daß der Mann allmählig verarmte. Endlich kam er auf den Verdacht, die Zwerge könnten an seinem Unheil Schuld seyn. Er schlug also mit einem Geflechte von schwanken Reisern so lange um sich her, bis er die Nebelkappen einiger Zwerge traf, die sich nun nicht mehr verbergen konnten. Es wurde Lärm. Man ertappte

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_265.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)