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ganzen Tag damit herum. Hernach beim Schlafengehen legen sie es unter den Kopf in der Christnacht und sprechen dabei:

„jetzt Hab ich mich gelegt und Brot bei mir,
wenn doch nun mein Feinslieb käme und äße mit mir!“

Darüber soll es geschehen, daß zur Mitternacht von solcher Semmelrinde etwas genagt wird, und daran kann man frühmorgens erkennen, daß der Liebste sie das Jahr über heirathen werde. Ist aber das Brot unverletzt gelassen, so haben sie schlechte Hoffnung. Also soll es sich begeben haben (1657 zu Leipzig), daß da ihrer zwei beieinander in einem Bette schliefen, die eine hatte solches Brot unter sich liegen, die andere nicht. Diese hörte Nachts ein Knarren und Nagen, fürchtete sich und rüttelte ihre Gespielin, die aber in festem Schlaf lag und nichts gewahr wurde, bis sie aus den Träumereien erwachte. Als sie nun Morgens das Brot besichtigten, war ein Creuz hineingefressen. Das Weibsbild soll bald darauf einen Soldaten zum Mann bekommen haben.

Die alte saalfelder Frau erzählte, daß andere ein Gefäß mit Wasser nehmen und es mit einem gewissen kleinen Maaß in ein ander Gefäß messen. Sie thun dies aber etlichemal und sehen zu, ob sie in den wiederhohlten Bemessungen mehr Wasser antreffen, als zuerst. Daraus schließen sie, daß sie das folgende Jahr über zunehmen werden an Haab und Gütern. Befinden sie einerlei Maaß, so glauben sie, daß ihr Schicksal stillstehe, und sie weder Glück

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_211.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)