Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V1 207.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
114.
Andreas-Nacht.
Mündlich.
Erasm. Francisci höll. Proteus.
Bräuner’s Curiositäten S. 91–93.
Goldschmid’s höll. Morpheus. Hamb. 1698. S. 173. 174.

Es ist Glaube, daß ein Mädchen in der Andreas-Nacht, Thomas-Nacht, Christ-Nacht und Neujahrs-Nacht seinen zukünftigen Liebsten einladen und sehen kann. Es muß einen Tisch für zwei decken, es dürfen aber keine Gabeln dabei seyn. Was der Liebhaber beim Weggehen zurückläßt, muß sorgfältig aufgehoben werden, er kommt dann zu derjenigen, die es besitzt und liebt sie heftig. Es darf ihm aber nie wieder zu Gesicht kommen, weil er sonst der Qual gedenkt, die er in jener Nacht von übermenschlicher Gewalt gelitten und er des Zaubers sich bewußt wird, wodurch großes Unglück entsteht.

Ein schönes Mädchen in Östreich begehrte einmal um Mitternacht, unter den nöthigen Gebräuchen, seinen Liebsten zu sehen, worauf ein Schuster mit einem Dolche daher trat, ihr denselben zuwarf und schnell wieder verschwand. Sie hob den nach ihr geworfenen Dolch auf und schloß ihn in eine Truhe. Bald kam der Schuster und hielt um sie an. Etliche Jahre nach ihrer Verheirathung ging sie einstmals Sonntags, als die Vesper vorbei war, zu ihrer Truhe, etwas hervorzusuchen, das sie folgenden Tag zur Arbeit vornehmen

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_207.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)