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da der große Eidschwur geschah, und wie einem der Schwörenden, der den Bund verrathen, sogleich Feuer zu Mund und Nase ausgefahren sey, auch sein Haus von selbst angefangen habe zu brennen.


103.
Der quillende Brunnen.
Happel relat. curios. V. 43. aus Mich. Piccard. orat. acad. 4.

An einem Berge in Franken quillet ein Brunnen, wobei ein vornehmes adliches Geschlecht sein Stammhaus hat. Das ganze Jahr über hat er schönes, lauteres, überflüssiges Wasser, das nicht eher aufhöret, als wenn jemand aus demselbigen Geschlecht soll sterben. Alsdann vertrocknet er so gar, daß man auch fast kein Zeichen oder Spur mehr findet, es sey jemals ein Brunn daselbst gewesen. Als zur Zeit ein alter Herr des gedachten eidlichen Stammes in fremden Landen tödlich niederlag, und bereits achtzigjährig seinen baldigen Tod muthmaßte, fertigte er in seine Heimath einen Boten ab, der sich erkundigen sollte: ob der Brunn vertrockne? Bei der Ankunft des Boten war das Wasser versiegt, allein man gebot ihm ernstlich, es dem alten Herrn zu verschweigen, vielmehr zu sagen: der Brunn befinde sich noch richtig und voll Wassers; damit ihm keine traurige Gedanken erweckt würden. Da lachte der Alte und strafte sich selbst, daß er von dem Brunnen abergläubisch zu wissen

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_198.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)