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86.
Der Brutpfenning.
Happel relat. curios. I. 522.

Der Brutpfenning oder Heckegroschen soll auf folgende heillose Weise erlangt werden: die sich dem Teufel verbinden wollen, gehen auf Weihnachts-Abend, so es beginnet zu dunkeln, nach einem Scheideweg unter dem offenbaren Himmel. Mitten auf diesem Flecken legen sie dreißig Pfenninge oder auch Groschen, Thaler, in einem runden Ring der Reihe nach neben einander hin und heben an, die Stücke vorwärts und rückwärts zu zählen. Dies Zählen muß gerade geschehen in der Zeit, wenn man zur Messe läutet. In dem Zählen nun sucht der höllische Geist durch allerhand schreckliche Gesichter von glühenden Ofen, seltsamen Wagen und hauptlosen Menschen irre zu machen, denn wenn der Zählende im geringsten wankt und stolpert, wird ihm der Hals umgedreht. Wofern er aber richtig vor- und nachgezählt, so wirft der Teufel zu den dreißig Stücken das ein und dreißigste in gleicher Münze hin. Dieser ein und dreißigste Pfenning hat die Eigenschaft, daß er alle und jede Nacht einen gleichen ausbrütet.

Eine Bäuerin zu Pantschdorf bei Wittenberg, die einen solchen Brutpfenning hatte, wurde auf diese Art als Hexe kund gemacht: sie mußte einmal nothwendig ausgehen und hieß die Magd, die Milch von der gemelkten Kuh (eh sie die andern melkte) alsbald sieben, auf weiß Brot in einer dastehenden Schüssel gießen

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_179.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)