Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V1 122.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Leibe gar keinen Rath wisse. Die Adelfrau sprach: „es ist gleich mitten in der Nacht, alle Stadtthore sind gesperrt, wie wollen wir hinauskommen?“ Die Magd antwortete: das Thor sey schon im voraus geöffnet, sie solle nur fortmachen, (doch sich hüten, wie einige hinzusetzen, an dem Ort, wo sie hingeführt werden würde, nichts zu essen noch zu trinken, auch das ihr angebotene nicht anzurühren). Darauf stand die adliche Frau aus dem Bett, zog sich an, kam herunter und ging mit der Magd fort, welche angeklopft hatte; das Thor fand sie aufgethan und wie sie weiter ins Feld kamen, war da ein schöner Gang, der mitten in einen Berg führte. Der Berg stand aufgesperrt und ob sie wohl sah, das Ding wäre unklar, beschloß sie doch unerschrocken weiter zu gehen, bis sie endlich vor ein kleines Weiblein gelangte, das auf dem Bette lag in großen Geburtswehen. Die adliche Frau aber reichte ihr Hülfe (nach einigen brauchte sie nur die Hand ihr auf den Leib zu legen) und glücklich wurde ein Kindlein zum Tageslicht geboren. Nach geförderter Sache sehnte sie sich wieder aus dem Berg heimzugehen, nahm von der Kindbetterin Abschied (ohne etwas von den Speisen und Getränken, die ihr geboten waren, berührt zu haben) und die vorige Magd gesellte sich ihr aufs neue zu und brachte sie unverletzt nach dem Schlosse zurück. Vor dem Thorweg aber stand die Magd still, bedankte sich höchlich in ihrer Frauen Namen und zog einen güldenen Ring vom Finger herab, den verehrte sie der adlichen Frau mit

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_122.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)