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und Eigenthümlichkeit sich recht gewähren lasse. Denn darauf eben beruhet ihre Tiefe und Breite, und daraus allein wird ihre Natur zu erforschen seyn. Im Epos, Volkslied und der ganzen Sprache zeigt sich das Gleiche wieder; bald haben jene den ganzen Satz miteinander gemein, bald einzelne Zeilen, Redensarten, Ausdrücke; bald hebt, bald schließt es anders und bahnt sich nur neue Mittel und Uebergänge. Die Ähnlichkeit mag noch so groß seyn, keins wird dem andern gleich; hier ist es voll und ausgewachsen, dort stehet es ärmer und dürftiger. Allein diese Armuth, weil sie schuldfrei, hat in der Besonderheit fast jedesmal ihre Vergütung und wird eine Armuthseligkeit. Sehen wir die Sprache näher an, so stuft sie sich ewig und unendlich in unermeßlichen Folgen und Reihen ab, indem sie uns ausgegangene neben fortblühenden Wurzeln, zusammengesetzte und vereinfachte Wörter und solche, die sich neu bestimmen oder irgend einem verwandten Sinn gemäß weiter ausweichen, zeigt; ja es kann diese Beweglichkeit bis in den Ton und Fall der Silben und die einzelnen Laute verfolgt werden. Welches unter dem Verschiedenen nun das Bessere sey und mehr zur Sache gehöre, das ist kaum zu sagen, wo nicht ganz unmöglich

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite XIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_013.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)