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zu sein scheint. Wenigstens ist auch die Preussische Staatszeitung sogleich vom Patriotismus befallen worden und hat länger als drei Tage daran gelitten. Die Ansteckung ging noch weiter. Die Staatszeitung hat nicht nur ebenfalls eine sträfliche Wendung nach England entdeckt, sondern sie auch „gebrandmarkt.“

Die Vossische Zeitung hatte die Unvorsichtigkeit begangen, die Engländer freier zu finden, als die Preussen, sie hatte in Erinnerung an die Timesartikel vom vorigen Jahr das Gewicht der englischen Presse gegenüber der deutschen hervorgehoben. Dafür „brandmarkt“ die Staatszeitung sie als unpatriotisch und fügt drohend hinzu: „Die Vossische Zeitung sei in grober Täuschung befangen, wenn sie wähnte, ihr stehe die Befugniss zu, auf deutschem Boden das deutsche Volk ungestraft zu schmähen.“ „Von England übrigens seien keine Schmähungen zu erwarten.“ Die Staatszeitung hatte die blutige Züchtigung von der Times mit hündischer Unterwerfung für freundliches Achselklopfen genommen. Die Vossische Zeitung – man erschrickt über diese Kühnheit – wehrt sich, sie schärft ihrer Gegnerin das Gedächtniss und citirt die vernichtenden Artikel der Times, ja, sie spricht sogar von dem Problem, ob Preussen „ein Staat des Rechts oder der Willkür sei.“ Aber Ende gut, Alles gut! Die Vossische Zeitung „fühlt sich schliesslich sicher auf dem festen Boden des Gesetzes.“ Sie ist loyal, noch mehr, sie ist priviligirt und ihr Privilegium trägt ihr, bei glücklicher Vermeidung müssiger Politik, des Jahrs über viele Tausend Thaler ein. So begreift man die Kühnheit und zugleich die Loyalität der Angegriffenen. Kühn macht sie ihr Privilegium, loyal ihre Rente. Aber man versteht auch nun die Drohung der Staatsszeitung[WS 1]. Eine durchgreifende Polizeimassregel, und die schöne Rente mit sammt dem Sicherheitsgefühl der Vossischen Zeitung ist dahin, noch einige oppositionelle Unfertigkeiten, und die Staatszeitung trägt darauf an, alle Zeitungsprivilegien in Preussen aufzuheben. Sie weiss, wie leicht dies ist. Sie erklärt am dritten Tage ihres Patriotismus ausdrücklich: „Die Kraft der preussischen Regierung sei grösser, als die der englischen.“ Die englische Regierung kann die Times nicht verbieten, aber wehe selbst der privilegirten Vossischen Zeitung, wenn sie nicht patriotisch ist, die preussische Regierung wird sie nicht „ungestraft“ unpatriotisch reden lassen. Ist das nicht mehr Kraft? Es wäre die meisste Kraft, die es giebt, wenn nicht Russland und Marocco noch mehr hätten! O ihr patriotischen Hunde! Aber hütet euch vor

  1. Vorlage: Staasszeitung
Empfohlene Zitierweise:
Ferdinand Cœlestin Bernays: Zeitungsschau. In: Deutsch-Französische Jahrbücher. Bureau der Jahrbücher, Paris 1844, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_233.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)