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Bürgerkomödie beginnt das hochadelige Stück, und wird mit steigender Wollust und Wuth zu Ende geführt. Rasch folgen die Scenen auf einander: Das Volk schnauft nicht, vor dummer Verwunderung sperrt es Maul und Nase auf:

Die Grossherzogin Sophie in trautem Zwiegespräch mit Herrn Baron Moritz von Haber. Der Agent des Don Carlos unterhält sich mit der hohen Frau über das Geschick seines Herrn, und die erwünschte Plattheit der von ihm gegründeten „deutschen Wochenzeitung:“ auf den Knien hält sie das jüngste Kind ihrer legitimistischen Laune, dessen schwarzer Lockenkopf dem jüdischen Manne die süsse Ueberzeugung gibt, wie sich das dunkle orientalische Blut nicht sträubt gegen die Verbindung mit dem blasseren germanischen Saft! Noch einen zärtlichen Blick, einen Händedruck – und Herr von Haber verlässt die Fürstin – um sie nie wieder zu sehen! Im Schlosse, da sie seiner ansichtig werden, ärgern sich die Schranzen über sein Glück, die Wache, an der er vorüber muss, Soldaten und Offiziere, verwünschen den Juden, sie brummen Flüche in den Bart, so oft sie vor dem „Jüdchen,“ wenn es mit seiner Amme spaziren fährt, in’s Gewehr treten müssen. Das Glück macht von Habern übermüthig und indiskret: er meint ganz Deutschland sähe auf ihn, weil er für Don Carlos Geld makelt, und Kukukseier in hoher Potentaten Nester legt: und er hat Recht, – so etwas interessirt das deutsche Volk! Er rennomirt gegen die Offiziere, zieht Zettelchen aus seiner Tasche: „Das ist von der Sophie!“ wettet auf die Farbe des Kleides, in dem sie am Abend auf dem Hofballe erscheinen werde, und steigert den Neid der Offiziere und Stallknechte, die bisher allein zu solch hohen Liebesdiensten berechtigt waren, bis zur Rache! Markgraf Wilhelm schwört, der Jude müsse vom Hof entfernt werden; er hetzt seine gallonirten Bedienten, das Offiziercorps, hinter ihn; sie müssen ihn für ehrlos erklären, dürfen auf keinem Ball mit ihm zusammen sein, und er muss als Feiger und Infamer behandelt werden! Die beiden Adelsracen stehen giftig gegen einander: Sieg oder Tod, die Komödianten werden heftig und warm, sie improvisiren, aus der Komödie wird Ernst; ein wackerer Russe nimmt sich des rechtlos gestellten Juden an, er schlägt sich gegen den Lieutenant von Göler, der sich dazu hergegeben, der spezielle Racheengel der Ehre des Grossherzogs zu sein, – und beide schiessen sich in einem metzgerartigen Duell todt, in dem ein Spanier Sarachaga den Hetzhund macht.

Das Schicksal mit Markgrafen Wilhelm im Kampfe: Der Judenbaron, der Eindringling in das legitime Geblüt lebt – und Göler

Empfohlene Zitierweise:
Ferdinand Cœlestin Bernays: Zeitungsschau. In: Deutsch-Französische Jahrbücher. Bureau der Jahrbücher, Paris 1844, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_219.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)