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nach die Vollendung nicht in der Theorie, sondern nur in der Praxis finden, eben weil ihre Wahrheit die Praxis ist.

Das Judenthum konnte keine neue Welt schaffen; es konnte nur die neuen Weltschöpfungen und Weltverhältnisse in den Bereich seiner Betriebsamkeit ziehn, weil das praktische Bedürfniss, dessen Verstand der Eigennutz ist, sich passiv verhält, und sich nicht beliebig erweitert, sondern sich erweitert findet mit der Fortentwicklung der gesellschaftlichen Zustände.

Das Judenthum erreicht seinen Höhepunkt mit der Vollendung der bürgerlichen Gesellschaft; aber die bürgerliche Gesellschaft vollendet sich erst in der christlichen Welt. Nur unter der Herrschaft des Christenthums, welches alle nationalen, natürlichen, sittlichen, theoretischen Verhältnisse dem Menschen äusserlich macht, konnte die bürgerliche Gesellschaft sich vollständig vom Staatsleben trennen, alle Gattungsbande des Menschen zerreissen, den Egoismus, das eigennützige Bedürfniss an die Stelle dieser Gattungsbande setzen, die Menschenwelt in eine Welt atomistischer feindlich sich gegenüberstehender Individuen auflösen.

Das Christenthum ist aus dem Judenthum entsprungen. Es hat sich wieder in das Judenthum aufgelöst.

Der Christ war von vorn herein der theoretisierende Jude, der Jude ist daher der praktische Christ, und der praktische Christ ist wieder Jude geworden.

Das Christenthum hatte das reale Judenthum nur zum Schein überwunden. Es war zu vornehm, zu spiritualistisch, um die Rohheit des praktischen Bedürfnisses anders als durch die Erhebung in die blaue Luft zu beseitigen.

Das Christenthum ist der sublime Gedanke des Judenthums, das Judenthum ist die gemeine Nutzanwendung des Christenthums, aber diese Nutzanwendung konnte erst zu einer allgemeinen werden, nachdem das Christenthum als die fertige Religion die Selbstentfremdung des Menschen von sich und der Natur theoretisch vollendet hatte.

Nun erst konnte das Judenthum zur allgemeinen Herrschaft gelangen und den entäusserten Menschen, die entäusserte Natur zu veräusserlichen, verkäuflichen, der Knechtschaft des egoistischen Bedürfnisses, dem Schacher anheimgefallenen Gegenständen machen.

Die Veräusserung ist die Praxis der Entäusserung. Wie der Mensch, so lange er religiös befangen ist, sein Wesen nur zu vergegenständlichen weiss, indem er es zu einem fremden phantastischen Wesen

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Karl Marx: Zur Judenfrage. In: Deutsch-Französische Jahrbücher, Paris: Bureau der Jahrbücher, 1844, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_213.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)