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vom Menschen überhaupt die Aufhebung der Religion zu verlangen?

Die Judenfrage erhält eine veränderte Fassung, je nach dem Staate, in welchem der Jude sich befindet. In Deutschland, wo kein politischer Staat, kein Staat als Staat existirt, ist die Judenfrage eine rein theologische Frage. Der Jude befindet sich im religiösen Gegensatz zum Staat, der das Christenthum als seine Grundlage bekennt. Dieser Staat ist Theologe ex professo. Die Kritik ist hier Kritik der Theologie, zweischneidige Kritik, Kritik der christlichen, Kritik der jüdischen Theologie. Aber so bewegen wir uns immer noch in der Theologie, so sehr wir uns auch kritisch in ihr bewegen mögen.

In Frankreich, in dem konstitutionellen Staat, ist die Judenfrage die Frage des Konstitutionalismus, die Frage von der Halbheit der politischen Emancipation. Da hier der Schein einer Staatsreligion, wenn auch in einer nichtssagenden und sich selbst widersprechenden Formel, in der Formel einer Religion der Mehrheit beibehalten ist, so behält das Verhältniss der Juden zum Staat den Schein eines religiösen, theologischen Gegensatzes.

Erst in den nordamerikanischen Freistaaten – wenigstens in einem Theil derselben – verliert die Judenfrage ihre theologische Bedeutung und wird zu einer wirklich weltlichen Frage. Nur wo der politische Staat in seiner vollständigen Ausbildung existirt, kann das Verhältnis des Juden, überhaupt des religiösen Menschen, zum politischen Staat, also das Verhältniss der Religion zum Staat in seiner Eigenthümlichkeit, in seiner Reinheit heraustreten. Die Kritik dieses Verhältnisses hört auf theologische Kritik zu sein, so bald der Staat aufhört, auf theologische Weise sich zur Religion zu verhalten, so bald er sich als Staat, d. h. politisch zur Religion verhält. Die Kritik wird dann zur Kritik des politischen Staats. An diesem Punkt, wo die Frage aufhört, theologisch zu sein, hört Bauer’s Kritik auf, kritisch zu sein. «Il n’existe aux Etats-unis ni religion de l’état, ni religion déclarée celle de la majorité ni prééminence d’un culte sur un autre. L'état est étranger à tous les cultes.» (Marie ou l’esclavage aux états-unis etc., par G. de Beaumont, Paris 1835, p. 214.) Ja es gibt einige nordamerikanische Staaten, wo «la constitution n’impose pas les croyances religieuses et la pratique d’un culte comme condition des privilèges politiques (l. c. p. 225). Dennoch «on ne croit pas aux Etats-unis qu’un homme sans

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Karl Marx: Zur Judenfrage. In: Deutsch-Französische Jahrbücher, Paris: Bureau der Jahrbücher, 1844, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_187.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)