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sehr zu Herzen genommen, dass ich in Berlin verstimmt war. Alle andern sind desto selbstzufriedener; und ein einziger Wunsch, den sich der erste Berliner, der König, erfüllt, wiegt eine Welt voll Verstimmung auf. Glauben Sie nicht, dass ich diese umfangreichen Wünsche verkenne. Das Christenthum z. E. ist doch so zu sagen Alles. Nun ist es wiederhergestellt, der Staat ist christlich, ein wahres Kloster, der König ist sehr christlich und die königlichen Beamten sind am allerchristlichsten. Ich geb’ es zu, diese Leute sind nur fromm, weil sie an Einer Knechtschaft nicht genug haben. Sie müssen zu dem irdischen Hofddienst noch einen himmlischen hinzufügen; die Knechtschaft soll nicht nur ihr Amt, sie soll auch ihr Gewissen sein. Und wenn die nordamerikanischen Wilden sich selbst ihre Sünden ausprügeln, so hoff’ ich werden auch wohl die Völker noch einmal dieselbe Procedur an diesen Hunden des Himmels exekutiren. Aber für den Augenblick, wer sollte nicht finden, dass es gut steht im Reiche Gottes? und ich hätte gewiss an der allgemeinen Herrlichkeit den heitersten Antheil genommen, wenn ich nicht bedacht hätte, dass eine enttäuschte Verstimmung allemal besser ist, als eine enttäuschte Selbstzufriedenheit. Sie werden sagen, ich hätte den Eulenspiegel, der schon über den kommenden Berg verstimmt war, mit Nutzen gelesen; die Berliner haben ihn auch gelesen, sie lesen ihn immer, wenn sie ihre Geschichte lesen, aber ohne Nutzen: und so bleiben sie denn dabei dass ihre Eulenspiegeleien gute Witze wären. Selbst ihr Christenthum interessirt sie nur als ein guter Witz, als eine geniale Wendung. Es ist pikant, sich zu allen Verrückheiten des Aberglaubens zu bekennen und dabei einen heilen Rock zu tragen; es ist pikant jetzt sich reden zu hören im Stil des heiligen römischen Reichs mit „Gruss und Handschlag zuvor,“ oder in dieser unheiligen Zeit mit dem Datum von irgend einem heiligen Tage zu unterzeichnen, und da es nicht möglich ist, auch aus den heiligen Oertern, etwa von St. Johann im Lateran und vom Vatikan zu datiren, so ist es wenigstens pikant, die Bulle zur Wiederherstellung der barmherzigen Schwestern oder zur Stiftung der Kapelle des heiligen Adelbert aus dem Schloss des unheiligen Friedrich zu erlassen.

Doch ich will nicht noch einmal die Gefahr laufen, unter Palmen zu wohnen, auch in der Phantasie nícht. Lebewohl, Berlin. Ich lobe mir Dresden, Hier ist Alles erreicht, hier wird Alles genossen, was Preussen mit der ganzen Anstrengung seines officiellen Witzes nicht wiedergewinnen kann. Die Stände, die Innungen, die alten

Empfohlene Zitierweise:
Ein Briefwechsel von 1843. In: Deutsch-Französische Jahrbücher. Bureau der Jahrbücher, Paris 1844, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_032.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)