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etwas Gelbes durch die Luft. Ein furchtbares gelbes Raubtier mit wallender Mähne, so groß wie ein ansehnliches Kalb, aber mit einem mächtigen Ochsenkopf und entsetzlichen Pranken hatte sich auf den Hirsch gestürzt und ihn zu Boden gerissen.

Es war ein Höhlenlöwe. Doch Richard ließ sich nicht viel Zeit zur Beobachtung, der Anblick war zu entsetzlich, er warf die Flinte ins Boot und ruderte aus Leibeskräften davon. Er hatte schon gemerkt, daß es auch mit einem modernen Gewehr nicht so ungefährlich war, in einem vorsintflutlichen Urwalde spazieren zu fahren, hier, wo noch nicht die Menschen die Herrschaft an sich gerissen hatten und alles von Tieren wimmelte, die sich gegenseitig auffraßen.

Bald sollte er auch in die Notwendigkeit versetzt werden, sein eigenes Leben zu schützen. Ein Schatten senkte sich nämlich plötzlich auf ihn herab, und als er aufblickte, sah er über sich in einer Höhe von vielleicht hundert Metern einen gewaltigen Raubvogel. Schon schwebte derselbe zwischen den Baumwipfeln, schon konnte Richard die zusammengekrallten Klauen am Leibe erkennen und die glühenden Augen über den Hakenschnabel von wohl einem halben Meter Länge, und es hatte ganz den Anschein, als hätte der Riesenadler den Knaben als leckeren Bissen erspäht.

Richard verlor jedoch die Besinnung nicht. Schnell mußte er handeln, im nächsten Augenblicke schon konnte das Ungetüm auf ihn herabschießen. Im Nu ergriff er daher wieder die Büchse, kniete in dem bewegungslos treibenden Boote nieder, zielte sorgfältig nach der Brust und schoß.

Ein markerschütterndes Kreischen, und sich überschlagend stürzte der Greif, im Walde verschwindend, auf die Erde herab. Doch da sah Richard schon wieder ein neues Tier sich wie eine Schlange durch die Büsche und der Stelle zu winden, wo der Raubvogel niedergestürzt sein mochte. Es war eine Höhlenhyäne, wie sie damals ganz Europa bevölkerte. Richard gelüstete es aber nicht, nähere Bekanntschaft mit ihr zu machen, sondern er war froh, daß ihre Aufmerksamkeit durch die leichter

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Robert Kraft: Der letzte Höhlenmensch. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_letzte_H%C3%B6hlenmensch.pdf/12&oldid=- (Version vom 31.7.2018)