Seite:Der jüdische Selbsthaß.pdf/87

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass

jüdischer Intelligenzen wie Georg Cantor, Alfred Fränkel, Alfred Pringsheim, Arthur Schönfließ, Felix Hausdorff, Ludwig Kronecker, Alfred Sommerfeld, bis schließlich durch A. A. Michelson, M. Minkowski und A. Einstein die Weltwende (die Überwindung des Aristoteles, Euklid[WS 1], Newton und Kant) erzwungen wurde.

Es ist, als ob diese Kohorte sich verschworen hätte: das letzte arme Restchen sinnfälliger Gestaltlichkeit zu verflüchtigen und das letzte arme Daseinsklötzchen fortzustehlen, daran der Mensch im Tohuwabohu des „Unvollendbar“ sich noch anklammern konnte.

Denn nicht nur die „Welt in Raum und Zeit“ (diese abzählbare meßbare Welt) schwand dahin. Sondern das Werden selber; die Bewegung, die Reihe als eine lineare Kontinuität, die Gerichtetheit, der Anfang und das Ende.

Und so blieb nichts als Wille zum Wert. Auf den Aschen aller Inhalte sinnenfälliger Welt.

In den späten Tagen der platonischen Schule tauchte ein Begriff auf, der dies Dämmern grauer Gestaltenleere schon ankündigt. „Apeirotaraxie“: Schauder vor der Unermeßlichkeit!

War es nicht natürlich, daß sich das Leben in seine Schalen- und Schneckenhäuser, hinter Panzer und Damm rettete?

Und sollten nicht gerade die Hingerissenen, Ekstatischen, Urlebendigen (diese am leichtesten aus sich Herauszulockenden) am bängsten ausgespäht haben nach Tor und Dach? Nach Schutz vor Verfluten und Verflackern? Und sei es Turm oder Gefängnis!

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Enklid


Empfohlene Zitierweise:
Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass. Jüdischer Verlag, Berlin 1930, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_j%C3%BCdische_Selbstha%C3%9F.pdf/87&oldid=- (Version vom 29.12.2019)