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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass

dann erhielt ich eine Antwort. Aber wie ich es dem Unberechenbaren nie recht gemacht hatte, so fand ich auch jetzt nicht seine Zustimmung. Er antwortete: „Sie malen mich als einen buddhistischen Weisen, der vornehm und resigniert sich auf den Tod vorbereitet. Ich bin nicht resigniert und nicht buddhistisch. Ich bin ein Kämpfer, und wie lebendig, das wird sich in einigen Wochen zeigen, wo die ‚Zukunft‘ wiedererscheinen wird, die für Deutschland notwendiger ist als je.“

Kurz darauf kam die Nachricht, daß Maximilian Harden gestorben sei.

Im Krematorium in Wilmersdorf wurde er eingeäschert. Beethovens Musik ertönte, und ein junger Schauspieler sprach einige Worte Goethes: Dank an die Natur, die ihr Kind ans große Herz zurücknimmt.

Und dann kam die Flamme und verschlang das Bild des Knaben, der einst im Hofe der Schule „Entscheider der Schlachten“ spielte. Und nahm in ihre Sonnentiefe den schönen Jüngling, der einst Herzen und Frauen gewann. Und fraß den Mann, den rastlosen Arbeiter, den in Deutschland mächtigsten durch die Schrift und das Wort. Und fraß die Weisheit und die Schrift. Und Unrecht und Schuld. Und Ruhm und Geschichte.

Etwa fünfzig Ergriffene blickten den schönen, schwindenden Bildern nach. Die meisten waren Juden.

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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass. Jüdischer Verlag, Berlin 1930, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_j%C3%BCdische_Selbstha%C3%9F.pdf/207&oldid=- (Version vom 5.7.2016)