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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass

haben wollen, dann nicht! Ich habe es auch Rathenau oft gesagt: Warum schreiben und sagen Sie immer ‚Wir Deutsche‘? - Man will die Juden doch nicht zu den Deutschen rechnen. Ich liebe den deutschen Menschen, aber ich dränge mich ihm nicht auf. Die Art, wie er seine Rechtsgeschäfte ordnet, mag er vor sich, vor seinen Kindern und vor dem, was ich das Weltgewissen genannt habe, vertreten. Wollen Sie diese Mietlinge der Mördergenossenschaft freisprechen und auf dem Prytaneum zur Belohnung für patriotische Tat speisen, tun Sie’s“ -

Kann wohl der Unsinn der Untermengung des Rechts mit völkischen Gefühlen, der übervölkischen Norm mit Tatbeständen des Lebens krasser an den Tag treten?

Hier begünstigt ein deutscher Gerichtshof, in welchem getaufte Juden sitzen, die Mörder eines andern getauften Juden, weil diese Mörder versichern, daß sie im Namen und aus dem Geiste deutscher Gesinnung morden wollten. Und indem die einen sich äußerst „deutsch“ gebarden, treiben sie den andern, der bis dahin womöglich noch „deutscher“ gewesen war, nun wieder ins „Judesein“ zurück ...

Die Kunde von jenem Attentate gab meiner Stellung zu Harden eine mir selber erstaunliche Wandlung.

Ich hatte diesen Mann durch nahezu vierzig Jahre zu hassen geglaubt. Aber auch der Haß ist Liebe, die zertreten ward. Wie Dornen Knospen sind, die verkümmern mußten. Es gibt ein Erlebnis, das auch gestorbene Liebe wieder lebendig macht: das Mitleid.

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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass. Jüdischer Verlag, Berlin 1930, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_j%C3%BCdische_Selbstha%C3%9F.pdf/204&oldid=- (Version vom 5.7.2016)