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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass

regiert, dann wird sich eines schönen Tages ein Völkerbund bilden und wird diese Großmacht niederwerfen und alles das, was das deutsche Volk sich erarbeitet hat, wird dahin sein.“

Die Prophetie war erfüllt. Der Prophet vergessen. Sein Haß wie seine Liebe waren aller Welt gleichgültig. Unter den neu zur Herrschaft Gelangten war zwar keiner - (auch Rathenau, auch Stresemann nicht) - , der an politischem Scharfblick ihm gewachsen war. Gerade darum aber war der Mann, der sich nie einer Partei anschloß oder ein Amt annahm, allen unheimlich und fremd.

Immer wenn Menschen in die Irre gehen, dann ziehen sie sich zurück auf den nackten Selbsterhaltungstrieb. Die soziale Republik, das demokratische Ideal war Kulisse. Hinter der Szene herrschte der Terror. Die Tragiposse, die sich zum Schluß an Harden ereignete und seiner merkwürdigen Laufbahn das Ende setzte, ist so grotesk, daß es für ein kommendes Geschlecht schwer fallen wird, auch nur den Zusammenhang zu verstehen.

Aus der Revolution wuchs die Konfusion. Aus der Konfusion die Reaktion. Juden hatten auf den Trümmerstätten des völkischen Machtwahns gläubig die weißen Fahnen gerefft. Die alten Fahnen mit der betörenden Inschrift: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Nun, wo der Ansturm der proletarischen Masse erdrückt war und die neuen Besitzenden nichts sehnlicher wünschten, als ihre Macht sicherzustellen, da wurden auch die jüdischen Feuerköpfe schnell hinweggefegt. Sie hießen nach beendetem Kriege: Landsfremde, Blutfremde, Nichtdazugehörige.

Die Epoche des Rassenantisemitismus begann mit dem

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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass. Jüdischer Verlag, Berlin 1930, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_j%C3%BCdische_Selbstha%C3%9F.pdf/198&oldid=- (Version vom 5.7.2016)