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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass

„Mancher meint, er kann Deutschland in Ordnung halten und kann noch nicht seine Komodenschublade in Ordnung halten“. Privilegien schienen ihm nur dann erträglich zu sein, wenn sie durch ein hohes und großes Menschentum gerechtfertigt wurden.

An den neuen Machthabern suchte er vergebens nach Hoheit und Größe. Für ihn waren diese Ebert, Noske, Scheidemann emporgekletterte Kleinbürger, deren keiner das geschäftige Mittelmaß überragt. Männer ohne Überlieferung, ohne Geschichte, ohne Bildung, ohne Feinheit. Glückliche Erben der Revolution. Sein Haß gegen die braven Parteilichter der Sozialdemokratie, die sich nun zu Sonnen Deutschlands aufwarfen, war so groß, daß sein positivstes Gefühl die Liebe zu Rußland wurde. Eine leise Hoffnung, daß der Bolschewismus siegen und die deutsche Herrschaft der Kleingeistigen und Mittelmäßigen hinwegfegen würde.

Daß die Stühle, auf denen bisher die Sprossen alter Adelsgeschlechter, goldverbrämt in Orden und Gala gesessen hatten, jetzt von Männern innegehabt wurden, die schlechtes Deutsch schrieben und allzu grobe Sinne hatten, das war dem anmutigen Spieler des Esprit unerträglich. Und daran zeigte es sich, wie er doch im Grunde seines Herzens von den befehdeten Prinzen, Fürsten, Königen und ihren Hofstaaten allzusehr abhängig gewesen war, ja um ihre Beachtung geworben hatte.

Da aber kamen Ereignisse, deren Erinnern das Blut gerinnen macht.

Nichts - ich wiederhole es - hatte Hardens schöner Genius des geistigen Spiels je völlig ernst genommen. Metaphysik, Moral, Weltgeschichte ... ihm erschien

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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass. Jüdischer Verlag, Berlin 1930, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_j%C3%BCdische_Selbstha%C3%9F.pdf/196&oldid=- (Version vom 5.7.2016)