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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass

vorteilhaftesten Frieden sucht. Und schließlich, etwa seit 1916, machte er auf tausend Hintertreppen den Versuch, für Deutschland zu retten, was noch zu retten wäre.

Und dann Herbst 1918 - um fünf Jahre zu spät - kam die deutsche Revolution.

Das Land war entkräftet, das Heer zerstört, der Kaiser entflohen, der Bismarckische Staat zertrümmert, alle Könige und Fürsten davongejagt. Nie war ein Volk so desorientiert. Nie so willig, neu zu lernen und neu zu bauen. Aber wo stand Harden?

Seine Zeitschrift war von Jahr zu Jahr einflußloser geworden. Er hatte sie zuletzt ganz allein geschrieben, und kaum tausend Bezieher waren ihm treu geblieben, welche seinen Gedanken folgten als den Monologen eines zeitentfremdeten Eigenbrödlers. Denn, mit dem Augenblick, wo die von ihm gehaßte Kaiserherrlichkeit dahinsank, war seine Feder überflüssig geworden. Sie hatte nie ein anderes Thema gehabt, als Deutschland zu sagen, was an der kaiserlichen Staatswirtschaft nicht sein sollte.

Und sie hatte nie für anderes Publikum geschrieben als für das nunmehr entmachtete.

Wir sind immer geneigt, gegen Besitz und Rang ungerecht zu sein, wenn wir daran denken, daß Millionen wertvolle gute Wesen in unwürdigen Verhältnissen verkümmern, während in den gepflegten Häusern auf den Lederpolstern der Macht oft genug Charaktere lungern, die von der Natur für „Kartoffeln und Kientopp“ bestimmt zu sein schienen.

Harden zitierte gern gewisse Bemerkungen Bismarcks wie: „Ein Mensch, der den Fisch mit dem Messer tranchiert, sollte nicht gerade Kultusminister werden“, oder

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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass. Jüdischer Verlag, Berlin 1930, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_j%C3%BCdische_Selbstha%C3%9F.pdf/195&oldid=- (Version vom 5.7.2016)