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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass

urteilte er auch über Juden und Judenfrage. „Was wollt Ihr denn eigentlich“, rief er in der „Zukunft“ den Juden zu, „sagt doch klar, wessen Geschäfte besorgt Ihr, die Geschäfte Deutschlands oder die Geschäfte Zions?“ Und ein andermal: „Man sollte meinen, der Kampf gegen den Semitismus wäre, wenn er aus Überzeugung geführt wird, an und für sich nicht verächtlicher als der Kampf gegen Katholizismus, Kapitalismus, Junkertum und Sozialismus.“ - Harden hatte Unrecht. Es ist ein Unterschied, ob ich den Menschen als ein Geschöpf der Natur oder ob ich ihn als Träger von Prinzipien verneine. Aber man erkenne seine Vorurteilslosigkeit in der Judenfrage.

Sein Stil wurde, wenn er von Deutschland sprach, getragen und feierlich. Er ähnelte dann der Rede Jakob Grimms, und seine politische Gedankenwelt hatte manchen Ausschnitt gemeinsam mit der Deutschlandanbetung Paul de Lagardes und Heinrich v. Treitschkes. -

Ich muß nun endlich mit einem Geständnis herausrücken: Ich habe lebenslang mit Maximilian Harden im Kampfe gestanden.

Wenn ich heute am Ausgange unsrer Lebenstage mir die Frage vorlege: warum habe ich denn den Mann abgelehnt? so will es mir scheinen, daß jener Augenblick in der Jugend für meine Einstellung symbolisch war. „Il s’était fait une tête“. - Nicht, als ob es ihm an Verantwortungskraft fehlte, nicht als ob seine Satire nur Spiel, seine Wut nur Theater war. Er besaß Ernst, Blutschwere, Treue, langen Atem. Aber er hätte sich nie der Sache geopfert, und wenn er sich geopfert hätte, hätte

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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass. Jüdischer Verlag, Berlin 1930, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_j%C3%BCdische_Selbstha%C3%9F.pdf/190&oldid=- (Version vom 31.7.2018)