Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass | |
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beiden Männern ein schwärmerisches Verhältnis bestanden hatte.
Eulenburg versuchte Harden zum Schweigen zu verpflichten. Harden forderte kühn, der Fürst - dessen Politik er für schädlich halte - habe sich künftig jeder Einmischung in die Reichsgeschäfte zu enthalten und solle sich mithin zur Ruhe setzen. Der Fürst - im Vertrauen auf seine immerbewährte Macht über Menschen - wagte einen verzweifelten Vorstoß. Er veranlaßte seinen Freund Moltke, Harden wegen Beleidigung zu verklagen und beschwor vor Gericht, daß er nie im Leben homoerotische Beziehungen gekannt habe. Harden wurde verurteilt; der Fürst blieb weiterhin in hohen Gnaden.
Aufs äußerste gereizt, weniger durch die Strafe als durch die diffamierende Behandlung, die seine Person und seine publizistischen Motive allgemein erfuhren, ging Harden nunmehr zum offenen Angriff über. Eine dunkelmännische Kamarilla - das war seine Behauptung -, die durch gleichgeschlechtliche Freundschaften eng verknüpft sei, wirke in Deutschland als unverantwortliche Nebenregierung und halte den Kaiser umsponnen in ihrem romantischen und nebulosen Ring. Mystiker, Spiritisten, Süßholzraspeler, Theosophen, kränkelnde und verweibte Männer machten insgeheim die Politik des Reiches. Mit äußerst kluger Taktik wurde ein abseitiger Rechtshandel mit einem Beliebigen angezettelt, bei welcher Gelegenheit Personen unter Eid vernommen wurden, deren Aussage jenen vom Fürsten Eulenburg geleisteten Eid als Meineid enthüllte. Der Fürst wurde in die schlimme Lage gebracht, nunmehr persönlich gegen Harden Klage erheben zu müssen. Und bei dieser
Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass. Jüdischer Verlag, Berlin 1930, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_j%C3%BCdische_Selbstha%C3%9F.pdf/185&oldid=- (Version vom 31.7.2018)