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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass

v. Schabeltzky, Jenny Groß, der einflußreichen Börsenleute, der tonangebenden Professoren jener Jahre, die wir gekannt, gesehen, deren Händel und Abenteuer wir wichtig genommen haben, - ach, was bedeuten diese Namen für das lebende Geschlecht?

Immerhin hat ein bestimmter Rechtshandel aus der endlosen Reihe der Hardenschen Händel sich auch in das Gedächtnis der Nachwelt eingeätzt. Jener Moltke-Eulenburg-Prozeß[WS 1], der in die Jahre 1906 bis 1909 breite Wellen warf. Der Rechtshandel entstand, wie alle die vermeintlichen Wichtigkeiten sogenannter Weltgeschichte, aus recht geringfügigen Allzumenschlichkeiten. Harden besaß in hohem Maße jene von Nietzsche gepriesene „ästhetische Freude an der Bosheit“. Nicht, daß er böswillig oder schadenfroh gewesen wäre. „La taquinerie est la méchanceté des bons“. Gerade die gutartigen und liebenswürdigen Naturen haben wohl diese Freude am Fallenstellen und Strohhalmkitzeln.

Aus den Jahren des freundschaftlichen Verkehrs mit Bismarck kannte Harden die intimen Züge der Männer am Kaiserhof. Er kannte ihre wunden Punkte, ihre geheimen Sünden, und es machte ihm Spaß gelegentlich zu drohen und Kätzchenkrallen zu zeigen. Die Bedrohten hatten es meist leicht, ihn zu versöhnen, sei es durch Ehrerbietung, sei es durch kluge Unterwürfigkeit. Harden hatte davon Wind bekommen, daß auf den Höhen der Staatsverwaltung die gleichgeschlechtliche Erotik - wie Bismarck sagte: „die Hauptsympathie“ - manche kleine Politik bestimme. Sie spielte hinein in die Revirements und Avancements. Sie entschied über Beförderungen, führte zu Übereinkünften auch unter Gesandten und

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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass. Jüdischer Verlag, Berlin 1930, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_j%C3%BCdische_Selbstha%C3%9F.pdf/183&oldid=- (Version vom 31.7.2018)