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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass

auftrumpfen: ‚Seht, hinter mir steht die deutsche Wissenschaft und Kultur. Ich aber bleibe unabhängig und bin nicht käuflich. Glaubt nicht, daß ich euch bitten werde; ich fordere Recht?‘ -

Das Leben eines öffentlichen Mannes, der durch ein Menschenalter, Woche um Woche, alle Ereignisse der Zeit mit seinen Randbemerkungen versieht, der in zehntausende Existenzen eingreift und die Ämter, die Parlamente, die Banken, die Zeitungsmänner, Wirtschaftsführer, Industriekönige, ja das ganze Leben seines Volkes von der Musik bis zur Logik, von der Produktion im Drama bis zur Produktion der Kartoffeln und Rüben unter seine Kontrolle zwingt, ein solches öffentliches Leben ist überreich an Prozessen, Krachen, Kontroversen und an beständig wechselnden Beziehungen zu jedermann.

Es gab eine Zeit, wo jeder Zank Hardens, jede Ohrfeigen- und Beleidigungsaffäre, jede seiner intimen Frauengeschichten und Liebeleien, jeder Theaterskandal und jeder Börsenkrach, bei dem er seine klugen Pfötchen im Spiele hatte, Tausende in Atem hielt. Kein Mensch bildete so oft das Tagesgespräch in den Cafés, Salons und Bürostuben. Von Königsberg bis Basel, von Moskau bis Paris. Aber so schnell wie Holzpapier vergilbt, so schnell vergilbt der papierene Ruhm. Und wollte ich heute Namen nennen, um die einst unserer Herzen Erregung schwirrte, etwa die Namen Kanitz und Mirbach, Bamberger und Lasker, oder Windthorst und Singer, die Namen der Rechtsanwälte Fritz Friedmann und Erich Sello, der Schriftsteller Paul Lindau, Franz Mehring, Karl Bleibtreu, der amurösen Schauspielerinnen Elsa

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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass. Jüdischer Verlag, Berlin 1930, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_j%C3%BCdische_Selbstha%C3%9F.pdf/182&oldid=- (Version vom 31.7.2018)