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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass

waren die großen Unbürgerlichen, Frechsinnlichen, Dämonischen: Albert Niemann, Adalbert Matkowski, Friedrich Mitterwurzer - die Kraftgenies. Noch vor Beendigung der Schule entlief der Theaterlustige und machte sich für Eltern und Geschwister unerreichbar, indem er davonflog mit einer Wandertruppe. In den Jahren 1880 bis 1885 führte er ein Leben gleich dem Wilhelm Meisters in Goethes „Lehrjahren“. Der Schauspieler Fritz Odemar erzählte: „Wir haben an zahllosen Orten gespielt, meistens klassische Meisterdramen. Der junge Felix sollte nach der Sitte der Zeit einen Theaternamen wählen und schmiedete sich selber den Namen ‚Maximilian Harden‘, wobei er wohl an Maximilian Robespierre gedacht haben mag und an die Notwendigkeit, hart zu werden im Kampfe mit dem ruppigen Leben. Er spielte zunächst kleine Chargen. Bald aber die jugendlichen Liebhaberrollen. Diese Rollen spielte er auch gern im Leben. Wir übernachteten oft in kleinen ländlichen Gasthäusern und meist teilten ich und Harden das Zimmer. Einmal kamen wir in eine Stadt, in welcher ein großer Zirkus sein Zelt aufgeschlagen hatte. Die Zirkusleute und unsere Truppe wohnten im selben Gasthaus. Harden, der von weiblichen Reizen leicht entflammt ward, verliebte sich in eine Tänzerin. Als ich am Morgen erwache, sehe ich, daß das für Harden bestimmte Bett unberührt ist. Ich gehe ihn suchen. Nachdem ich einen Flur durchwandert habe, komme ich in das Zimmer, welches jene Tänzerin bewohnt, und indem ich eintrete, sehe ich, daß das Fräulein noch zu Bett liegt und neben ihr erhebt sich bei meinem Eindringen eine jugendliche Gestalt, richtet sich, nur mit dem

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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass. Jüdischer Verlag, Berlin 1930, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_j%C3%BCdische_Selbstha%C3%9F.pdf/172&oldid=- (Version vom 31.7.2018)