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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass

Persönlichkeit Deutschlands umlief, da einigten sich alle Stimmen auf den Namen: Harden ...

Maximilian Harden war der jüngste Sohn des Berliner Kaufmanns Witkowski, eines alten „Achtundvierzigers“, Freiheitsmannes also, und Freund des Volkstribunen August Bebel. Der Vater Hardens soll ein aufrechter und charaktervoller Mann gewesen sein, der aber, an einem fortschreitenden Gehirnleiden erkrankt, allmählich zum Quäler und zur Qual für seine Familie wurde, deren Zusammenhalt schließlich so erschüttert ward, daß es den vier Söhnen erwünschter wurde, den Familiennamen zu ändern. Die Ehe war zerrüttet. Die Eltern prozessierten um ihre Kinder. Der jüngste, Felix, sollte beim Vater bleiben, aber entlief zur Mutter. Er war ein besonders hübsches, eigenartiges und begabtes Kind.

Der Göttinger Physiologe Max Verworn hat uns erzählt: „Ich bin mit Felix Ernst Witkowski, aus dem nachmals der bekannte Maximilian Harden wurde, auf dem Französischen Gymnasium zur Schule gegangen. Er hatte strahlende blaue Augen und ein mädchenhaftes Köpfchen in blonden Locken. Er war allgemein beliebt, ein eigensinniger stolzer Knabe. Er führte den homerischen Beinamen: ‚Entscheider der Schlachten‘. Bei unsern großen Schneeballkämpfen auf dem Schulhofe spielte er nicht mit, sondern saß oben auf der Mauer an einem sichern Ort, wo ihn kein Schneeball treffen konnte, und wirkte als unser Schiedsrichter. Sein Spruch galt unweigerlich, und alle Parteien richteten sich nach dem kecken kleinen Jungen.“

An jedem Abend saß der Junge auf der Galerie des Königlichen Schauspielhauses. Seine vergötterten Helden

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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass. Jüdischer Verlag, Berlin 1930, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_j%C3%BCdische_Selbstha%C3%9F.pdf/171&oldid=- (Version vom 31.7.2018)