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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass

durchgesprochen. Er entwickelte den Plan, eine Zeitschrift zu gründen. Er verhieß mir eine dauernde Beschäftigung. Aber es war schon ein Riß zwischen uns. Er sprach gönnerhaft, ich schüchtern.

Am Abend dieses Tages brachte ich ihm meinen endgültigen Entschluß: Ich wolle zurück auf die Schulbank, um Arzt oder Lehrer zu werden. Zum Literaten glaube ich mich nicht geeignet. Schneidend kam die Antwort. „Zum Fluge an meiner Seite bist du nicht stark genug.“ Unser Abschied war eiskalt. Beide waren wir enttäuscht. Wir haben uns nicht wiedergesehen. Bis kurz vor seinem Tode. -

Die beiden Wege liefen fortan weit auseinander. Der meine durch viel Labyrinthe, Not, Armut, Verworrenheit bis zum schließlichen Verzicht auf Wirkung und Erfolge. Da erst kam Friede und Freude. - Der andere, Hardens Lebensweg, stieg schon in den nächsten Jahren in steiler Kurve zu solcher Höhe der Wirkung und Macht, daß wohl kaum je zuvor, weder in Deutschland noch in einem anderen Lande, ein Einzelner allein durch die Kraft seiner genialen Feder so viel Reichtum und Ruhm gewonnen hat.

Harden schloß sich nie einer Partei an, aber alle Parteien umwarben ihn. Er hatte kein Amt, aber alle Ämter lauschten auf ihn. Er verschmähte Titel und Orden, aber die Träger der besten Namen und Titel zitterten vor seinem Urteil.

Und wie in der Politik, so wurde auch für Theater und Literatur sein Urteil das den weitesten Kreisen gültige. Als in Amerika eine Rundfrage nach der einflußreichsten

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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass. Jüdischer Verlag, Berlin 1930, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_j%C3%BCdische_Selbstha%C3%9F.pdf/170&oldid=- (Version vom 31.7.2018)