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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass

VI
Maximilian Harden

Unbefriedigt, hochgespannt und sehnsüchtig, so saß ich, siebzehn Jahre alt, in einer kleinen deutschen Stadt auf der Schulbank, baute an Zukunftsschlössern und träumte ins Blaue, als mir in einer heute verschollenen Wochenschrift zum ersten Male der Name Maximilian Harden zu Gesichte kam.

Der Name stand als Unterschrift unter leidenschaftlichen Aufsätzen voller Scharfsinn und voller Spiel des Witzes, die den Werdenden beunruhigten und zu beschäftigen begannen. Ich wurde Hardens williger Leser, vielleicht sein erster, jedenfalls der eifrigste, den er besessen hat. Und eines Tages in der Einsamkeit des Herzens machte ich ein Paket aus den ersten Sprossen eines unbehüteten Gartens: Gedichte, Dramen, Novellen und schickte alles mit einer Schilderung meiner Nöte und der Bitte um einen Rat an den gefürchteten Kritiker.

Nie wieder im späteren Leben habe ich so bange auf eine Antwort gewartet. Wochen vergingen. Dann kam die Antwort und übertraf alle Erwartung. „Sie haben im kleinen Finger mehr Talent als ich im ganzen Leibe und allem, was dazu gehört. Eines Tages werden Sie ein

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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass. Jüdischer Verlag, Berlin 1930, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_j%C3%BCdische_Selbstha%C3%9F.pdf/167&oldid=- (Version vom 31.7.2018)