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Ruhestande in seiner idyllischen Villa ganz seinen privaten Neigungen sich hingab. Im Jahre 1922 trafen wir mit ihm aus Anlaß des Falles Warbatth zusammen. Er war ein unscheinbarer, kleiner, breitschulteriger Mann mit borstigem Schnurrbart und ebenso borstigem, kurzgeschnittenem Kopfhaar, hatte ein rundliches, frisches, vergnügtes Gesicht und glich durchaus einem wohlhabenden Rentner und Kaufmann a. D., – nichts erinnerte an seinen Beruf, seine glänzende Laufbahn und – nicht zu vergessen – seine ungeheuren Körperkräfte. Er war Amateurboxer, dessen Faust besser wirkte als ein Gummiknüttel. Damals klagte er uns, daß noch immer Privatpersonen ihn in Anspruch zu nehmen suchten. Er lehnte jedoch selbst die verlockendsten Honorarangebote ab. Auch Warbatth interessierte ihn nicht. Trotzdem wechselten wir gelegentlich Briefe, blieben also immerhin in lockerer Verbindung. –

Als wir nun nach den vielversprechenden Vorfällen bei Gustav Pagel den Weg betraten und die wenigen Schritte bis zur Laube des Ziegenvaters schweigend zurücklegten (zwischen Pagels und Jaromir Zwanczas Besitz lag nur ein schmales verwahrlostes Laubengrundstück), lehnte an einer Pumpe, die längst nicht mehr benutzt wurde, ein einfach gekleideter alter Mann mit grauem Schifferbart und dunkler Hornbrille und schob gerade in eine photographische Kamera einen neuen Filmstreifen ein. Der Mann blickte nur flüchtig auf und summte behaglich irgendeinen Fox vor sich hin. Ich sagte schon, daß dieser Wintertag etwa in den Monat September hineinpaßte. Das leichte Gewölk hatte sich zerteilt, die Sonne schien, und die Pelzhändler beteten sicherlich zu Jehovah, dieser unnatürlichen Witterung ein Ende zu machen.

Jaromir Zwanczas Anwesen war der Schandfleck der Kolonie. Sein Häuschen aus rohen, ungestrichenen Brettern hatte ringsum noch schandbarere Anbauten, richtige

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Max Schraut: Der alte Gobelin. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1929, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_alte_Gobelin.pdf/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)